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In der Hauptstadt wimmelt es von Baustellen. Aber Wohnraum fehlt.

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Kaum Hoffnung auf Besserung: Warum Wohnraum in Berlin wohl auch künftig Mangelware bleibt

Berlin lockt nach wie vor Menschen aus aller Welt an. Doch der Wohnungsbau kommt dem Bedarf kaum nach – aus verschiedenen Gründen. Ein Überblick.

Wer auf der Suche nach einem Haus oder einer Wohnung ist, kommt derzeit vielerorts etwas günstiger weg. Die Immobilienpreise sinken seit Monaten, ist immer wieder einmal zu lesen. Vor allem gilt das für Altbauten. Sie müssen oft aufwendig energetisch ertüchtigt werden. Ohne Preisabschläge lässt sich kein Käufer mehr darauf ein: Die ab 2024 anlaufende Heizungswende bringt es mit ihren Auflagen mit sich, dass sich die Krisenstimmung am Immobilienmarkt noch einmal verschärft. Kaufinteressenten sind aufgrund der aktuellen Zinslage nicht mehr bereit, jeden Preis zu zahlen. Allemal gilt das bei Immobilien in den Küstenregionen von Nord- und Ostsee.

Für Berlin gelten diese Vorzeichen auch und doch ist die Lage eine andere, wie zum Beispiel der aktuelle „Wohnmarktreport Berlin 2022“ zeigt, den die Berlin Hyp gemeinsam mit dem globalen Immobiliendienstleister CBRE verfasst hat. „Berlin bleibt, allen Krisen der vergangenen Jahre zum Trotz, ein Anziehungspunkt für Menschen aus Deutschland, Europa und der ganzen Welt“, sagt Michael Schlatterer, Managing Director Residential Valuation bei CBRE. Mangellagen treiben die Preise nach oben. „Besonders der starke Zuzug aus dem Ausland, aber auch aus anderen Bundesländern, sorgt dafür, dass die Nachfrage nach Wohnraum in Berlin steigt“, sagt Schlatterer.

Berlin liegt bei den Mieten bundesweit im Mittelfeld

Dem Report zufolge legten die Angebotsmieten für Wohnungen in Berlin im vergangenen Jahr um 9,5 Prozent auf 11,50 Euro pro Quadratmeter und Monat zu. Mittelfristig rückblickend, von 2017 bis 2022, ergibt sich ein anderes Bild: Mit einer Steigerung um 17 Prozent landet die Bundeshauptstadt lediglich auf Platz 5 hinter Köln, München, Stuttgart und Düsseldorf.

Die Angebotskaufpreise für Eigentumswohnungen erhöhten sich 2022 um 8,3 Prozent. Dennoch liegt Berlin immer noch im Mittelfeld, hinter München, Frankfurt und Hamburg. Für Mehrfamilienhäuser wurden bisher keine Preisrückgänge verzeichnet, die Angebotskaufpreise blieben stabil. Wohin soll das alles führen?

Drastische Steigerungen bei den Zinsen und den Baukosten haben den so dringend benötigten Neubau in der Hauptstadt fast zum Erliegen gebracht

Sascha Klaus, Vorstandsvorsitzender der Berlin Hyp AG

Schien die Energiekrise mit ihren hohen Kosten für Gas und Strom gerade erst überstanden, steigt jetzt die Sorge vor Wertverlust und teuren Investitionen. Teuer ist nicht nur der Altbau – etwa bei alten Heizungen. Auch der schwer finanzierende Neubau ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. In zentralen Quartieren wie Charlottenburg-Wilmersdorf werden bei Neubauprojekten inzwischen 7700 bis 16.800 Euro pro Quadratmeter aufgerufen, gefolgt von Mitte (6300 bis 16.100 Euro) und Pankow (6300 bis 15.500 Euro).

„Für die vielen Wohnungssuchenden in Berlin verschärft sich die Situation weiter“, sagt Sascha Klaus, Vorstandsvorsitzender der Berlin Hyp AG. „Drastische Steigerungen bei den Zinsen und den Baukosten lösen so manche Kalkulation der Bauträger in Luft auf und haben den so dringend benötigten Neubau in der Hauptstadt fast zum Erliegen gebracht.“ Der Wohnungsmarkt steht am Kipp-Punkt, nicht nur in Berlin.

Kein Baufortschritt ohne konsequente finanzielle Förderung

Die Wohnraumknappheit und fehlender Wohnungsbau werden zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem mit folgenschweren Auswirkungen. In Deutschland fehlen bereits 700.000 Wohnungen, was das soziale Miteinander gefährdet. „Jetzt ist es daher dringend notwendig, dass neben der konsequenten finanziellen Förderung, rasch Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt und Bauordnungen harmonisiert werden“, fordert etwa der Bundesverband Kalksandsteinindustrie e.V. Er steht damit nicht alleine. „Ohne ein drastisches Aufstocken der staatlichen Förderung und ohne ein deutliches Abspecken bei staatlichen Auflagen und Vorschriften ist der Wohnungsneubau in Deutschland nicht mehr machbar“, lautet das ernüchternde Fazit des „Verbändebündnisses Wohnen".

„Wenn die Wohnungsbaurenditen bei zwei bis drei Prozent stehen, die Kreditzinsen aber bei vier Prozent, kann niemand bauen“, sagte Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilienausschusses ZIA Anfang Mai. „Daher müssen wir die Rahmenbedingungen radikal ändern“. Der Spitzenverband plädiert für ein Kreditprogramm vom Bund mit zwei Prozent Zinsen.

Das Neubauziel der Berliner Koalition: 20.000 Wohnungen pro Jahr

Berlin will zwar das Angebot an bezahlbarem Wohnraum erhöhen, setzt indes aber nur Blick auf Sozialwohnungen auf Förderung. „Wir bekennen uns grundsätzlich zum Neubauziel von durchschnittlich bis zu 20.000 neuen Wohnungen pro Jahr, davon bis zu 5.000 Sozialwohnungen“, heißt es im aktuellen Koalitionsvertrag 2023-2026 zum Thema Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Zudem soll es ein Förderprogramm für mittlere Einkommen geben.

Im Jahr 2021 wurden nach Angaben des Statistikamtes Berlin Brandenburg in der Hauptstadt 14.134 Wohnungen in neuen Wohngebäuden fertiggestellt. Die höchste Bautätigkeit wurde in Treptow-Köpenick verzeichnet. Auf dem zweiten und dritten Platz folgten Spandau und Marzahn-Hellersdorf. Am wenigsten wurde in Steglitz-Zehlendorf gebaut.

Die Neubaupotentiale innerhalb des S-Bahn-Rings sind erschöpft

Dies deutet bereits an, was sich in den kommenden Jahren noch weiter ausprägen wird. Größere Neubaupotenziale innerhalb des S-Bahn-Rings scheinen erschöpft. Nur 17,2 Prozent (2021: 19 Prozent) der rund 39.430 Wohnungen (2021: 44.850 Einheiten) in konkreter Planung, in Entwicklung oder Bau, entstehen innerhalb des S-Bahn-Rings. Dominiert wird der Neubau weiterhin vor allem durch großvolumigen Mietwohnungsbau. Die Bautätigkeit verlagert sich mehr und mehr in die Außenbezirke, schließlich ins Umland. Laut Statistikamt Berlin Brandenburg wurden In Brandenburg 2021 insgesamt 11.518 Wohnungen gebaut. Die meisten Einheiten entstanden in Potsdam, Brandenburg an der Havel und in Schönefeld.

Im Berliner Umland herrscht in Folge von Bevölkerungszuwächsen durch Wanderungsgewinne nach wie vor eine anhaltend hohe Wohnraumnachfrage, weshalb vor allem die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser weiter deutlich ansteigen, heißt es im „Wohnungsmarktreport Berlin 2022“. Die höchsten Kaufpreise für Ein- und Zweifamilienhäuser – 4.900 Euro pro Quadratmeter oder mehr – werden vor allem südwestlich von Berlin aufgerufen.

Von Ende 2021 bis Ende 2022 wurde nach den Zahlen des Melderegisters ein Plus von über 75.000 Mitbürger:innen in Berlin verzeichnet. Ein Ende des Zuzugs ist auch aufgrund der Flüchtlingsbewegungen nicht abzusehen. Dennoch hat Berlin einen negativen Wanderungssaldo von rund 4200 Personen. Dies ist auf den Wegzug von Berlinern ins Umland zurückzuführen.

Berlin hat die Bevölkerungsentwicklung in den zurückliegenden Jahren nicht zum Anlass genommen, massiv in den Wohnungsneubau zu investieren. Die selbst gesetzten Ziele wurden nicht erreicht. Leider gilt dies auch für Zahl der Wohnungen für Studierende, die geschaffen werden sollten.

Bereits vorhersehbar ist eine weitere Fehlentwicklung auf dem Wohnimmobilienmarkt. Sie hängt mit dem Altersaufbau zusammen. Über 21 Millionen Menschen werden bundesweit in zwanzig Jahren zur Altersgruppe „67plus“ gehören. Das sind rund 3,6 Millionen mehr Menschen als heute. Nur jede siebte Wohnung ist heute aber altersgerecht, fand das Pestel-Institut heraus. Selbst wenn die in Deutschland benötigten 3,3 Millionen altersgerechter Wohnungen gebaut würden, stünde die Frage, wer sie sich leisten kann. Für die Senioren von morgen wird es enger – finanziell und räumlich.

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