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Exil-Iranerinnen und Iraner protestieren in Berlin.

© REUTERS/NADJA WOHLLEBEN

Unter dem Motto „Free Iran“ : Rund 6000 Exil-Iraner demonstrieren in Berlin

Die Exil-Organisation „Nationaler Widerstandsrat des Iran“ hat Iraner aus ganz Deutschland zu einem Protest in Berlin aufgerufen. Kritiker werfen der Gruppe vor, selbst nicht demokratisch zu sein.

Auf dem Bebelplatz in Berlin-Mitte haben sich am Sonnabend nach Polizeiangaben rund 6000 Exil-Iraner und Kritiker des theokratisch-autoritären Systems versammelt, um gegen die iranischen Präsidentschaftswahlen am Vortag zu protestieren. Unter dem Motto „Free Iran“ riefen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem Sturz des Mullah-Regimes auf und forderten die Einführung einer Demokratie. Viele schwenkten die Nationalflagge des Irans, wie sie in verschiedenen Varianten vor der Islamischen Revolution im Jahr 1979 zum Einsatz kam.

Veranstaltet wurde die Kundgebung von der umstrittenen Gruppe „Nationaler Widerstandsrat des Iran“ (NWRI). Die Gruppe, 1981 in Paris gegründet und seit 1994 auch in Deutschland vertreten, versteht sich als Exilparlament. Das demokratisch nicht legitimierte Gremium wählte 1993 Maryam Radjavi, die Ehefrau des ehemaligen iranischen Präsidenten Massoud Radjavi, zur „künftigen Präsidentin des Iran“.

Radjavi war auch am Sonnabend in Berlin omnipräsent. Viele der Redner bezogen sich in ihren Beiträgen auf sie, zahlreiche Teilnehmer trugen Bilder von Radjavi oder ihrem Ehemann. Unter den Teilnehmern der Kundgebung waren auch prominente Politiker aus Deutschland wie Ex-Kanzleramtschef Peter Altmaier oder Diana Stöcker, Oberbürgermeisterin von Weil am Rhein und ehemalige Bundestagsabgeordnete (beide CDU). Stöcker sagte in ihrer Rede, Radjavi verkörpere „den Wunsch der iranischen Bevölkerung“.

Wir bleiben verbunden im Kampf um Freiheit und Frieden.

Rita Süssmuth (CDU), ehemalige Bundestagspräsidentin

Zudem verlas Stöcker einen offenen Brief der ehemaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), die ihre Teilnahme kurzfristig abgesagt hatte. Darin bescheinigte Süssmuth den Protestierenden ein „tiefgewachsenes Freiheits- und Friedensdenken“. Dieser Tag werde den Widerstand stärken, schreibt Süssmuth. „Wir bleiben verbunden im Kampf um Freiheit und Frieden.“

Ein Mann trägt eine Mütze mit der Aufschrift „Free Iran“.
Ein Mann trägt eine Mütze mit der Aufschrift „Free Iran“.

© dpa/Hannes P Albert

Bereits zuvor hatten bundesweit mehr als 500 deutsche Parlamentarier eine gemeinsame Erklärung unterschrieben. Darin unterstützen sie unter anderem die Forderung des NWRI, die Revolutionsgarden, die außen- wie innenpolitisch mächtigste militärische Organisation im Iran, als Terrororganisation einzustufen.

In der Erklärung heißt es außerdem: „Die herrschende religiöse Diktatur ist nicht reformfähig. Während der Erhebung von 2022 verwarf das iranische Volk jede monarchistische oder theokratische Diktatur und forderte den Wechsel zu einer demokratischen Republik.“

Umstrittenes Engagement von Parlamentariern

Das Engagement der Parlamentarier ist umstritten. Bis 2008 bezeichnete der Verfassungsschutz den NWRI als „politischen Arm“ der militanten Widerstandsbewegung Volksmujaheddin. Bis 2009 stufte die EU die Volksmujaheddin als Terrororganisation ein, die USA nahm die Gruppe erst 2012 von ihrer Terrorliste. In ihrer Ideologie verknüpfen diese Elemente des Islams, des Marxismus und des Nationalismus.

Teilnehmer der Kundgebung schwenken iranische Flaggen.
Teilnehmer der Kundgebung schwenken iranische Flaggen.

© dpa/Hannes P Albert

Die Berliner Grünen-Abgeordnete Gollaleh Ahmadi, deren Eltern mit ihr 1996 aus dem Iran aufgrund politischer Verfolgung flohen, hält den NWRI „nach wie vor für den politischen Arm der militanten Politsekte der Volksmujaheddin“. Dem Tagesspiegel sagte Ahmadi: „Sie bringen vieles, aber sicher keine Demokratie für den Iran.“

Die Grünen-Politikerin kritisiert, dass der NWRI versuche, sich im Ausland als demokratisch darzustellen, was viele fälschlicherweise glauben würden. Dabei lebe die Gruppe weiterhin nach einem Führerkult und propagiere die Ziele und Methoden der Volksmujaheddin. „Was sie auf Deutsch verkünden, stimmt nicht mit dem überein, was sie auf Farsi rufen“, betont Ahmadi.

Anlass der Kundgebung in Berlin war die erste Runde der iranischen Präsidentschaftswahlen am Freitag. Dabei setzten sich der als moderat geltende Massud Peseschkian (42,5 Prozent) und der Hardliner Said Dschalili (38,7 Prozent) durch. Am 5. Juli soll es eine Stichwahl geben. Die vorgezogenen Wahlen waren notwendig geworden, nachdem der bisherige Präsident Ebrahim Raissi vor sechs Wochen bei einem Hubschrauberabsturz getötet worden war.

Die Wahlen im Iran sind nicht frei. Kandidaten müssen vom sogenannten Wächterrat zugelassen werden – Systemkritiker haben keine Chance. Zudem hat der Präsident im Iran nur eingeschränkte Macht. Alle grundlegenden Entscheidungen werden vom Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei getroffen. Ihm untersteht auch die Islamische Revolutionsgarde.

Einige Aktivistinnen und Aktivisten, darunter die inhaftierte Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi, riefen zum Boykott der Wahl auf. Die Beteiligung in der ersten Runde lag laut der iranischen Wahlbehörde bei rund 40 Prozent.

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